Das kleine Kind

Kinder, statt zu schieben, ziehen

In einer Gemeinschaft etwas zu machen, ist viel einfacher, als es alleine zu tun. Ich denke da an die Kindergartengemeinschaft. Aber auch an die Klassengemeinschaft, die Ferienlagergemeinschaft, die Seminargemeinschaft, die Ehe und Familie.

Irgendetwas ist also dran im Tagesablauf, sei es die Hände zu waschen und sich an den Mittagsessenstisch zu setzten, Aufzuräumen, die Hausaufgaben zu machen, oder die Zähne zu putzen: Zusammen geht es leichter von statten.

Ich beobachte das bei mir selbst als Mitglied einer Gemeinschaft unter Erwachsenen, als auch im Kindergarten bei den Kindern, die ich führe und leite.

Es wird etwas getan, weil es dran ist. Alle tun es. Einer hat angefangen, ein zweiter und dritter gesellen sich dazu. Da ist, wenn ich Kind bin und noch mit sandigen Händen und Buddelhose auf meiner Garderobenbank sitze, Zug aus der Zukunft zu spüren: Die andern sind schon im Waschraum und einige sitzen schon wieder mit Hausschuhen an den Füßen und gewaschenen Händen auf der Bank, fertig für das Mittagessen. Das Ziel ist sinnlich erlebbar. Es steht leibhaftig vor Augen. Ich kann es an den anderen sehen. Und es zieht mich zu sich. Die Gemeinschaft trägt mich hin. Macht es mir leicht.

Bei mir als Erwachsenem habe ich die Entdeckung gemacht, dass nicht nur Gemeinschaft mich trägt, sondern auch Ziele alleine mich schon ziehen. Dass lästige Pflichten plötzlich leicht von der Hand gehen, wenn ein Ziel dazu kommt. Was mich eben noch als ein mahnendes, erdrückendes Müssen angeschaut hat (der Papierstapel auf dem Esstisch), ist ruck-zuck aufgelöst, wenn ich weiß: Morgen kommt mich meine Freundin besuchen, dann soll’s gemütlich sein.

Diese Tatsache kann man sich für den Alltag mit Kindern zu Nutze machen. Es ist ein Grundpfeiler der Waldorfpädagogik: Der Erste zu sein, der das tut, was die Kinder tun sollen. Die Kinder schauen ja ihrem Wesen nach zu uns auf. Ständig. Rückversichern sich bei allem, was sie tun mit einem raschen Blick zu uns und erkennen in unserem Gebaren wo ihre Leitplanken verlaufen. Sie orientieren sich an uns. Und wollen machen, was wir tun. Das kann man sich zur Meditation einmal vor die Seele stellen. Und man wird sich, wenn man sich das Prinzip zu eigen macht, tausende anstrengende Worte sparen können, die man aufwendet, wenn man von hinten versucht die Kinder zu schieben. Wie viel schöner ist es, flink zu sein. Der Erste. Immer am Ziel zu stehen und die Kinder mit einladender Geste willkommen zu heißen.

2 Kommentare

  1. Ja, genau so isses! Du findest so wunderbare Worte….auch darauf möchte ich verstärkt achten, wenn ich das nächste Mal mit meinen Enkeln zum Aufräumen blase!

    • Vielen Dank für die Blumen! Und Dir mit Deinen Enkeln Aufräumfreude! „Alle Dinge schlafen bringen“ klappt meiner Erfahrung nach bei ganz Kleinen gut. Jedes Ding mit „Gute Nacht“ auf seinen Platz stellen.

Schreibe einen Kommentar zu Ulla Antworten abbrechen