Geheimnisvolles Leben Du, gewoben
aus mir und vielen unbekannten Stoffen,
geschieh mir nur: Mein Sinn ist allem offen
und meine Stimme ist bereit zu loben.
Wenn du mir weh tun willst, so komm und schneide
mein Herz entzwei, das tausendfach empfindet,
blende mein Aug mit Brand bis es erblindet;
ich glaube, dass ich wachse wenn ich leide.
Und wachsen will ich um jeden Preis.
Reiß mich hinauf an meinen Haaren,
drück mich der Erde in den Schoß!
Nur lass mich deinen Sinn erfahren,
denn ich vermute: Du bist groß.
Lass mich nicht sterben, eh ich weiß,
wie sich der Tod zu dir verhält?
Ist er ein Widerspruch der Welt?
Ist er ihr Heil?
Ist er ein Teil von dir, des Lebens Teil?
Weil ich ihn so nur denken kann – im Leben.
Du musst mir nicht sagen wie alles ist.
Du musst mir nur einige Zeichen geben
und mich mit allen Dingen verweben,
darinnen du verwoben bist.

Rainer Maria Rilke