Solang du Selbstgeworfnes fängst, ist alles
Geschicklichkeit und läßlicher Gewinn -;
erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,
den eine ewige Mit-Spielerin
dir zuwarf, deiner Mitte, in genau
gekonntem Schwung, in einem jener Bögen
aus Gottes großem Brücken-Bau:
erst dann ist Fangen-Können ein Vermögen, –
nicht deines, einer Welt.Und wenn du gar
zurückzuwerfen Kraft und Mut besäßest,
nein, wunderbarer: Mut und Kraft vergäßest
und schon geworfen hättest….. (wie das Jahr
die Vögel wirft, die Wandervogelschwärme,
die eine ältre einer jungen Wärme
hinüberschleudert über Meere -) erst
in diesem Wagnis spielst du gültig mit.
Erleichterst dir den Wurf nicht mehr; erschwerst
dir ihn nicht mehr. Aus deinen Händen tritt
das Meteor und rast in seine Räume…
Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, 31. Januar 1922)
Woher als Pädagoge seine Freude holen? Die Freude über das Leben selbst, den Menschen. Die Erde. Das All. Und dem eigenen Verwobensein mit allem. Wir brauchen sie doch, die Freude, dass sie von uns ausgeht und vom Kind empfunden werden kann. Sie ist sein Hort. Die Kunst kann eine Quelle sein.
Rosa Maria Kiefer
Kann mir jemand dieses Gedicht näher erläutern
Werner Henze
Dieses Gedicht ist eines meiner Lieblingsgedichte von Rilke und begleitet mich seit Jahrzehnten. Es ist voller schöner und eindrucksvoller Bilder, der Mensch als Spieler (mit Selbsgeworfenem), als Jongleur seines Lebens, auf sich (und sein [Über-] Leben bezogen, beschränkt wird aufgefordert seine eigenen Grenzen zu überschreiten, zum Mitspieler (im größeren Ganzen) zu werden, zum Empfänger (der Liebe, des Seins) zu werden.
Dazu bräuchte es Kraft und Mut (zur Überwindung der eigenen Grenzen, Beschränktheit), eine (Fein-)Gefühl für das Tuning, den Schwung (mit dem die Dinge auf dich zukommen), die göttlichen Fügungen.
Schön und gut, wenn du das alles könntest – super – doch besser noch – du vergäßest das alles und wärest voll im Sein, selbstvergessener Teil des kosmischen Reigens, – wie das Jahr die Vögel wirft (sie fliegen nicht, sie werden bewegt…) in einer völligen Umkehrung menschlich üblicher Sehens- und Erlebnis-Gewohnheiten – so schön in dem mächtigen Bild: aus deinen Händen tritt das Meteor und rast in seine Räume.
So weit der Versuch einer Erläuterung aus meiner Betrachtung, die sich ganz sicher nicht in diesen Worten erschöpft.
JE
Wie schön Sie es sagen in Ihren Worten! Es erfreut mich beim Lesen. Vielen Dank, lieber Herr Henze!