Liebe Eltern,
ich habe so viele Erlebnisse mit Kindern und bin in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Themen, zu denen ich einen Austausch interessant fände – und zu denen ich meinen Gedanken in diesem Blog beisteuern würde, aber in letzter Zeit bin ich verunsichert. Es meldet sich eine Stimme, die mir ausredet mit dem Schreiben auch nur anzufangen. Was ist da los?
Darum möchte ich Sie herzlich bitten, wenn Sie möchten, mir zu sagen, worüber Sie gerne lesen würden? Was interessiert Sie? Welche Fragen im Umgang mit ihren Kindern beschäftigen Sie? Wo stoßen Sie an Ihre Grenzen? Was wünschen Sie sich anders? Wann ist es Ihnen unbehaglich? Wann erleben Sie Hindernisse zu sich selbst oder zum Kind vorzudringen? Wobei fühlen Sie sich unsicher – wünschen, zu einer Klarheit und Sicherheit zu gelangen? Von welcher Art von Beiträgen wünschen Sie sich mehr? Was kommt in Ihrem Leben zu kurz? Was inspiriert Sie?
Mich interessiert, was Sie an ihrer Familie, an sich an ihrem Kind wahrnehmen, seit dem Lockdown. Wie wirkt er in Ihre Familie hinein?
Am liebsten wären mir echte Gesprächsrunden, denn das Besondere und Wunderbare ist ja, dass es gar nicht darum geht, Antworten zu bekommen oder zu geben, sondern nur, sich zu öffnen, seine Erlebnisse auszusprechen und den Berichten von anderen zuzuhören. Das kann schon reichen, um ganz anders gestimmt weiterzumachen und sein Ziel wieder deutlicher zu sehen.
In diesem Sinne
herbstlich bunte Grüße
von Ihrer Judith Ebbing
Anna
Liebe Judith,
Ein wunderbarer Blog!
Und während ich ihn lese, werde ich ganz dankbar, dass unsere Kinder so liebevoll von dir betreut werden.
Bei uns ist es immer das selbe Thema: wie können wir jedem Kind gerecht werden? Bei dreien kommen immer ein oder zwei Kinder zu kurz. Alle wollen gleichzeitig meine Aufmerksamkeit. Jetzt! Sofort! Alle reden, quengeln und schreien durcheinander. Manchmal streiten sich noch zwei dabei. Ich versuche tief durchzuatmen. Ganz ruhig die einzelnen Bedürfnisse anzusprechen und auf jeden einzugehen. Aber keiner hört mich!
Und dann habe ich ja auch noch Bedürfnisse! Ich habe zum Beispiel so lange gekocht aber keiner will essen, alle wollen nur streiten.
Es würde mich sehr freuen, wenn du zu diesem Thema einmal etwas schreiben könntest.
Liebe Grüße!
Anna
Judith
Liebe Anna,
vielen Dank für Deine freundliche Rückmeldung und Deine pädagogische Frage!
Was Du beschreibst, hört sich sehr anstrengend und aufreibend an. Das Thema dabei ist der kindliche Wille. Und die Frage ist, wie der Wille gestimmt sein muss, damit das Schöne, das Du geben willst, überhaupt ankommen kann? Und: Wie wir die Kinder in eine solche Stimmung ihres Willens führen können?
Ich erlebe das täglich, dass schöne Gemeinschaft nicht einfach bedingungslos stattfindet. Ich muss Voraussetzungen schaffen und Leitplanken aufstellen, an denen die Kinder sich orientieren.
Das fordert von mir, dass ich mir ein klares Bild von unserem gemeinsamen Weg erarbeiten muss. Das ist eine meditativ betrachtende Arbeit. Wenn er mir, unser Weg durch den Nachmittag, klar vor Augen steht, kann ich die Stellen genau untersuchen, bei denen jemand droht aus der Kurve zu fliegen, in den Gegenverkehr zu rasen oder den Abhang abzustürzen (und damit die ganze Gemeinschaft auf Trab hält).
Des Weiteren muss ich mir ein Bild des konkreten Kindes oder der Konstellation von Kindern machen und erkennen, was es genau ist, was es/sie veranlasst, aus der Kurve zu fliegen.
Wenn ich das Bild von Straße, Kind und Gemeinschaft sehe, kommen mir Ideen zu den Leitplanken zum Schutz vor Entgleisungen. Die nehme ich mir dann vor, zu installieren. Und oft ist es so, das ist ein Wunder, dass mir zum einen nach diesen Vorbereitungen in der Situation dann ungeahnte Inspirationen kommen und zum anderen die Situation sich von selbst an den gefährlichen Stellen entschärft!
Meine Erklärung dafür, dass das Problem dann oft ausbleibt, ist, dass zwischen den Kindern und der Seele der Erwachsenen keine Trennung besteht. Sie nehmen uns bis ins innerste hinein wahr. Sie fühlen meinen Willen. Sie fühlen dann, dass ich klar sehe, eine Vorstellung davon habe, wie ich es gerne hätte und entschlossen bin, mich dafür einzusetzen. Das ist eine Leitplanke, die ich in meinem Willen trage und sie spüren es.
Sich eine Haltung (Entschlossenheit) zu all den Wegen, die wir mit den Kindern gehen, zu erarbeiten, ist als Eltern viel schwieriger als als Pädagoge, der täglich auf den reichen Erfahrungsschatz seiner Kollegen zurückgreifen kann. In meinem ersten Jahr im Kindergarten, habe ich das zu Beginn täglich, dann wöchentlich gemacht.
Der Leitgedanke bei allem ist für mich: Es muss uns ALLEN gut gehen! Und, das schreibt und liest sich ungewöhnlich, aber es ist eine Bedingung: Vor allem muss es mir gut gehen. Ich muss die Gruppe führen und halten, alle sehen und für alle da sein. Das ist unmöglich, wenn ich nicht in meiner Zufriedenheit bin. Gelassenheit. Mitte. Und die Kinderwillen nicht auf eine bestimmte zugewandte weise (durch mich) gestimmt worden sind.
Ich schreibe zu allem mehr.
Ganz liebe Grüße!
Judith
https://www.das-kleine-kind.de/adressat-meiner-liebevollen-fuersorge/
https://www.das-kleine-kind.de/wenn-kinder-streiten/
https://www.das-kleine-kind.de/sich-gehoer-verschaffen/
https://www.das-kleine-kind.de/das-kindliche-gemuet-stimmen/